Württembergische Tracht So werden Dirndl und Co. in
Baden-Württemberg getragen.

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Die Tracht - ein bayerisches Phänomen?

Jahr für Jahr lockt das Oktoberfest tausende Gäste aus aller Welt nach München. Und jedes Jahr führen prominente Besucher des Festgeländes den Medien die neueste Wies'n-Mode vor. Doch was Außenstehende für eine typisch bayerische Tracht halten, ist keine regional begrenzte Erscheinung - und in seiner Gestaltung nur noch bedingt traditionell.

Als ursprüngliche Arbeitskleidung sind Dirndl, Lederhosen & Co. in vielen Teilen Deutschlands verbreitet; weisen jedoch kaum noch Gemeinsamkeiten mit ihren historischen Vorbildern auf. Überall haben sie sich von ihren einfachen Grundformen zu prächtigen Festgewändern weiterentwickelt.

In den südlich gelegenen Bundesländern erfreuen sich diese modernisierten Varianten großer Beliebtheit. Hier werden Dirndl und Damen Lederhosen nicht nur zu Volksfesten angelegt - sondern kommen auch als Arbeits-, Fest- und Freizeitkleidung zum Einsatz. Die Vielfalt der getragenen Modelle ist groß; nirgends aber so ausgeprägt wie in Baden-Württemberg. Die Gründe dafür liegen in der Geschichte…

Bayerische Tracht vs. Württembergische Tracht

An Detailreichtum übersteigt die württembergische Tracht ihr berühmtes bayerisches Pendant um ein Vielfaches - wobei es weder eine "typisch" württembergische noch eine "typisch" bayerische Tracht gibt. Bei beiden haben die zu Grunde liegenden Kleidungsstücke jeweils eigene Entwicklungswege genommen und weisen von einer Gegend zur anderen recht augenfällige Unterschiede auf. Die wichtigsten lassen sich in wenigen Worten zusammenfassen:

Während bayerische Männer überwiegend kurze Lederhosen tragen, reichen die Beinkleider der württembergischen Tracht bis übers Knie und schließen dort mit einem Bündchen ab. Anders als ihre Geschlechtsgenossen in Bayern tragen Württembergs Herren auch keine Loferl - die übrigens ein rein oberbayerisches Accessoire sind. Beide Regionen eint, dass statt des vielerorts üblichen Karohemdes ein weißes Leinenexemplar zur Tracht gehört.

Im Damenmode-Bereich unterscheiden sich bayerische und württembergische Tracht durch das Dekolleté der Dirndlbluse und hinsichtlich der Dirndlschürze. Während Bayerns Frauen recht "offenherzig" zum Festplatz gehen, zeigen sich Württembergerinnen stets hochgeschlossen. Den berühmt-berüchtigten Schleifen-Kodex gibt es bei ihnen nicht. Verheiratete und nicht verheiratete Frauen sind an der Farbe ihrer Schürze zu erkennen: Die einen tragen dunkle, die anderen helle. Eine Gemeinsamkeit zur bayerischen Tracht besteht hinsichtlich der Rocklänge, die minimal auf Höhe der Waden liegt. Besser aber endet der Saum erst kurz über dem Boden.

Traditionelle Tracht aus Baden-Württemberg

Neben diesen allgemeinen Merkmalen gibt es eine Reihe größerer und kleinerer Details, in denen sich württembergische Trachten untereinander bzw. von gleichartiger Kleidung anderer Regionen unterscheiden. Das wohl auffälligste Merkmal sind die Kopfbedeckungen. Im gesamten baden-württembergischen Raum herrscht diesbezüglich große Vielfalt. Von hier stammen so bekannte Vertreter wie Knickzylinder, Dreispitz, Hörnerkappe oder Radhaube und natürlich die weltberühmten Bollenhüte der Schwarzwälder Tracht.

In der Region Schwaben weisen Trachten besonders liebenswerte Details auf. Während Männer farbenfrohe Westen mit vielen, eng nebeneinander liegenden Münzaufnähern tragen, kombinieren Frauen fröhlich geringelte Strümpfe zum Dirndl. Des Weiteren enthält die schwäbische Tracht ein Halstuch, dessen Kanten mit Muschelspitze gesäumt sind. Für gewöhnlich drapieren die Damen es so, dass es den Hals wie ein Collier umschließt und die Zipfel auf den Rücken herabhängen - weswegen dieses Accessoire auch als Nackenschlingtuch bezeichnet wird.

In der Oberbekleidung herrschen eher dunkle Töne vor. Häufig haben Rock und Mieder die gleiche Farbe und sind wie die Lederhosen der Männer mit Mustern, Ornamenten oder Abbildungen geschmückt. Interessant ist, dass sowohl die württembergische als auch die badische Tracht je ein farbiges Detail aufweist, das sich an irgendeiner Stelle wiederholt - sei es im eigenen Ensemble oder in der Kleidung des Partners.

Wann und wo wird Tracht in Baden-Württemberg getragen?

Hier hat die Württembergische Tracht ihren großen Auftritt! Mögliche Einsatzgebiete für die zeitgemäß aktualisierten Ensembles sind die zahlreichen Volksfeste Baden-Württembergs. Zu den bekanntesten Vertretern ihrer Art gehören das Stuttgarter Frühlingsfest zwischen Mitte April und Anfang Mai sowie das Cannstatter Volksfest von Ende September bis Anfang Oktober. Beide finden auf dem Gelände des Neckarparks statt und werden als kleiner und großer Wasen beworben.

Weitere beliebte Bühnen für badische und / oder württembergische Trachten bzw. deren jüngere Versionen sind die Heidelberger Schlossbeleuchtung, das Seenachtfest Konstanz, das Rutenfest Ravensburg, sowie das Maifest und die Mess in Mannheim.

Doch auch abseits weltbekannter Städte wissen Baden-Württemberger/-innen zu feiern. Mit der Ipfmess in Bopfingen, der Muswiese in Hohenlohe und der Lichterserenade auf dem Donauabschnitt bei Ulm haben sich feste Veranstaltungen im

Als eine der bekanntesten Weinbauregionen Deutschlands richtet Baden-Württemberg natürlich auch zahlreiche Wein- und Winzerfeste. Hier haben Besucher Gelegenheit, den Weinbauern "über die Schulter" zu schauen und Kostproben der "guten Tropfen" zu nehmen. Verweise auf die historisch bedingte Nähe zur Landwirtschaft liefern auch die überall verorteten "Pferdemärkte" und die Fleckviehschau auf dem Eberbacher Kuckucksmarkt.

Kaum ein Volksfest aber erfreut sich solcher Beliebtheit wie der Schäferlauf. Das ursprünglich geschlossene Zunftfest fußt auf der "Legende vom treuen Barthel" und fand seinerzeit ausschließlich in Grüningen statt. Mittlerweile richten auch Wildberg und Bad Urach den alljährlichen Schäferlauf aus. Zu seinen Höhepunkten zählen das namensgebende Wettrennen und ein berittener Festumzug in historischen Kostümen, in den eine Spielmanns-Kapelle und eine Trachten-Tanzgruppe integriert sind.