Bayerische Kleidung Ursprung der Tracht

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Bayerische Kleidung - Ursprung der Tracht

Das Wort "Bayern" ruft bei den meisten unwillkürliche Assoziationen hervor. Wer denkt bei seiner Nennung nicht an Krachlederne, Dirndl und die dazugehörigen Accessoires? Selbst Gäste aus Übersee oder Fernost kennen diese Kleidungsstücke - und tragen sie gelegentlich sogar selbst. Doch was ihnen beim Oktoberfest als typisch Bayerische Tracht vorgeführt wird, hat mit den ursprünglichen Ensembles nur noch wenig zu tun. Vielmehr spiegeln heute erhältliche Dirndl und Lederhosen einen interessanten Wandel wider…

Wer wissen möchte, wie bayerische Trachten zu dem wurden, was sie heute sind, muss weit zurückblicken. Die Anfänge der mittlerweile weltberühmten Kleidung liegen in vergangenen Jahrhunderten - und zeugen eher von Pragmatismus als von ihrem jetzigen Glamour.

Das legt schon der Begriff selbst nahe. "Tracht" ist ein althochdeutsches Wort und bedeutet so viel wie "das, was getragen wird". Damit ist prinzipiell alles gemeint, was die äußere Erscheinung eines Menschen ausmacht - vom Gewand über die Fußbekleidung und die Kopfbedeckung bis zu Schmuckstücken und eventuell üblicher Körperbemalung.

Die Anfänge der Bayerischen Kleidung

Doch als der Grundstein für bayerische Trachten gelegt wurde, waren diese Dinge nicht frei wählbar. Ihre Zusammenstellung folgte einer strengen Kleiderordnung, die sich am gesellschaftlichen Stand, am ausgeübten Beruf und am Symbolgehalt einzelner Farben orientierte.

Nichts veranschaulicht diese Vorschrift besser als das wahrscheinlich berühmteste Element der bayerischen Tracht, das Dirndl. Es war ursprünglich ein einfacher Kittel, der über dem Leibhemd getragen wurde - und als Arbeitskleidung für Tagelöhnerinnen oder Mägde diente. Von diesen erhielt er auch seine Bezeichnung, denn das mundartliche Wort "Dirndl" bedeutet nichts anderes als "Mädchen" im Sinne einer unverheirateten Frau. Damit das Gewand seinen zugedachten Zweck erfüllen konnte, bestand es aus robustem Leinenstoff. Der war unempfindlich und pflegeleicht; wirkte aber auch etwas fade, denn dem üblichen Duktus folgend blieb er ungebleicht oder wurde allenfalls braun gefärbt. Von der Pracht heutiger Dirndl ließ die zu Grunde liegende Kleidung jedenfalls nichts ahnen.

Gleiches galt für die ebenso berühmte Lederhose. Als männliches Pendant zum Dirndl diente sie vornehmlich dem Schutz von Gesäß und Oberschenkeln. Das derbe Material bewahrte Waldarbeiter, Hirten oder Senner vor Hautverletzungen. Üblicherweise stammte es von Haustieren wie Rind und Ziege, denn Wild zu erlegen war dem Adel vorbehalten.

Was aber hat dazu geführt, dass aus der ursprünglichen Arbeitskleidung Prachtgewänder wurden? Die Antwort darauf ist ebenfalls recht unspektakulär, denn zunächst behielten Dirndl und Lederhosen ihre Funktion bei. Lediglich ihre Träger/-innen änderten sich: Aus den Mägden und Knechten der Bergregionen wurden Bedienstete in größeren Städten. Im Zuge der Industrialisierung setzte eine regelrechte Massenwanderung ein. In den Ballungsgebieten ließen sich immer mehr Menschen nieder und gründeten Hausstände, für die sie Angestellte brauchten. Das lockte die Dirnen und Buben aus höher gelegenen Dörfern ins Tal - wo sie aus Mangel an Alternativen in ihrer Alltagskleidung vorstellig wurden.

Der Anblick weckte die romantische Ader mancher Bürgersfrau, die ihren Gatten zu einem Ausflug in die Berge drängte. Dort aber waren die Städterinnen mit bodenlangen Kleidern, Cul de Paris und wagenradgroßen Hüten schlecht bedient - weswegen sie den Ortsansässigen ihre wesentlich praktischere Kleidung abkauften. Damit wenigstens etwas vom städtischen Chic blieb, begannen die Bürgerinnen, ihre neu erworbene Bayerische Tracht zu variieren. Sie kombinierten die Dirndl mit feinen Blusen und Strümpfen, ergänzten sie um füllige Unterröcke und brachten sie durch Mieder in figurfreundliche Form. Als Tribut an die gute Landluft ließen die Damen züchtige Brusttücher weg und hochgeschlossene Kragen offen. Der romantisch wirkenden Arbeit ihrer bäuerlichen Gastgeber/-innen zollten sie durch frisch-weiße Schürzen Anerkennung.

Doch der Austausch funktionierte auch umgekehrt: Viele Landfrauen zeigten reges Interesse an Artikeln aus der Stadt und schlossen bereitwillig Tauschgeschäfte ab. Dabei ging es nicht immer gerecht zu: Manche gaben ihre manuell gefertigten Trachten-Elemente für maschinell hergestellte Ware hin, ohne den Wertunterschied zu erkennen.

Die Trachtenbewegung

Das rief selbsternannte Traditionsbewahrer auf den Plan. Einer ihrer führenden Köpfe war Josef Vogl, der mit fünf Freunden den "Verein für Erhaltung der Volkstracht in Leitzachthale" gründete. Dass Lederhose und Dirndl schon am 25. August 1883 nicht mehr Dasselbe waren wie einst, übersahen die leidenschaftlichen Herren.

Doch im Kampf um das Wahren ihrer Bedeutung wurde die Bayerische Tracht von prominenter Seite unterstützt: Vogl hatte sich brieflich an König Ludwig II. gewandt, weil er wusste, dass die Wittelsbacher schon lange für ländliche Kleidung schwärmten. Der Regent reagierte prompt, indem er alle bayerischen Kreis- und Bezirksämter aufforderte, Trachtenverbände zu gründen. Die kamen der Weisung nach; schossen aber weit übers Ziel hinaus. Lederhosen und Dirndl gerieten endgültig in die Mühlen städtischer Mode. Vereinsvorsitzende und -mitglieder erhoben die Kleidungsstücke zu persönlichen Prestige-Objekten bzw. Schaustücken und schmückten sie nach eigenem Gusto aus. Jeder einzelne der neu entstandenen Trachtenverbände erließ individuelle Vorschriften zur Gestaltung.

Ihre ursprüngliche Aufgabe konnte die Kleidung dadurch nicht mehr erfüllen. Was seitens der Wittelsbacher gut gemeint war, geriet beinahe zum Desaster. Im Jahre 1924 aber geschah etwas völlig Unerwartetes: Die Kirche, die das Tragen von Lederhosen bis dato als sittenwidrig erklärt hatte, erteilte den Beinkleidern einen Ritterschlag. Papst Pius XI. erlaubte einer Chiemgauer Delegation, ihre Bayerische Kleidung während der Audienz zu tragen.

Damit war der Alpenmode buchstäblich Tür und Tor geöffnet, denn nun galt sie als salonfähig. In Folge dessen wandelten sich die Ursprungs-Modelle noch mehr und näherten sich dem heutigen Design ein weiteres Stück an. Auch hinsichtlich ihrer Bedeutung sollte die Bayerische Tracht nochmals einen Wandel erleben. Er begann mit der Machtergreifung des NS-Regimes, das Dirndl und Latzlederhosen zur Nationalkleidung erheben wollte. Sie sollten nicht nur im Alpenraum, sondern im ganzen Reich deutsche Werte vermitteln.

Es bleibt hypothetisch, welches Schicksal die derart gehypte Kleidung ereilt hätte, wenn in den letzten Kriegstagen nicht ein anderer Artikel angelandet wäre. Die aus den USA importierten Jeans haben der Trachtenmode unversehens den Rang abgelaufen. Statt zu Dirndl und Lederhose griffen auch bayerische Jugendliche lieber zum Rockabilly-Outfit - und haben die Tracht damit vielleicht sogar vor dem Untergang bewahrt.

Passt scho! - Markante Details Bayerischer Trachten

Ein paar charakteristische Merkmale aber lassen sich in Bayern erkennen - wenngleich sie teilweise nur in bestimmten Regionen anzutreffen sind.

Bestrickende Waden
So handelt es sich bei den bekannten Wadenstulpen von Herren - den so genannten Loferln - um ein rein oberbayerisches Accessoire. Sie sind klassisch stets naturbelassen und dürfen niemals (!) Bommeln tragen.

Kurze Hose, weißes Hemd
Buchstäblich raumgreifend ist der Umstand, dass zur bayerischen Tracht fast ausnahmslos kurzbeinige Lederhosen gehören. Sie werden üblicherweise mit einem weißen Leinenhemd kombiniert, das im Ideal- bzw. Originalfall weder bestickt noch sonst wie verziert ist.

Tiefer Einblick
Hinsichtlich des Dekolletés lassen bayerische Damen tiefer blicken als ihre Geschlechtsgenossinnen aus anderen Regionen. Die zu ihrer Tracht gehörende Dirndlbluse ist weit ausgeschnitten und setzt das "Ärschl" perfekt in Szene.

Eine rechts, eine links
Im Trachten-Bereich einmalig ist der so genannte Schleifen-Kodex. Die stumme Aussagekraft zusammengeknüpfter Schürzenbänder sorgt auf jedem Oktoberfest für neue Verwirrung, denn er gilt nur für bayerische Dirndl bzw. Frauen. Je nachdem auf welcher Seite die Schleife getragen wird, gibt die Trägerin preis ob sie denn noch zu haben oder schon in festen Händen ist.

Haarige Angelegenheit
Das wohl bekannteste Accessoire der bayerischen Tracht ist der Gamsbart-Hut, den sowohl Damen als auch Herren tragen können. Doch ausgerechnet er ist auf einen relativ kleinen geographischen Raum beschränkt - und überdies ein eher junges Zubehör. Wie oben bereits erwähnt, war die Wildtier-Jagd ein Brauchtum des Adels, so dass kein Bauer Gämsenhaar hätte spazieren tragen dürfen. Das charismatische Büschel kann also erst im Zuge "modernisierter" Trachten hinzugekommen sein.

Bayerische Kleidung Heute

Traditionell bayerische Tracht ist seit einigen Jahren wieder stark im Kommen.
Gesellschaftswissenschaftler begründen dieses Phänomen mit einer Rückbesinnung auf alte Tugenden. Ihrer Meinung nach stehen Verantwortungsgefühl, regionale Verbundenheit und Traditionsbewusstsein derzeit so hoch im Kurs wie nie zuvor.

Mode-Experten schließen sich dem gern an. Sie haben die Bayerische Tracht in all ihren Varianten für sich entdeckt und interpretieren sie Jahr für Jahr neu. Dabei kommt es zu Vermischungen, die mit Tradition so wenig gemeinsam haben wie die Trachten untereinander. Gleichzeitig aber lenken sie das Augenmerk auf das, was für die Pflege von Brauchtum so wichtig ist: Hintergrundwissen.

Jedes Trachten-Element, das Eingang in die aktuellen Kollektionen findet, weckt Interesse an seinen Ursprüngen und regt viele Betrachter/-innen an, sich näher damit zu befassen. So ist heute (wieder) klarer geworden, dass es keine allgemeine Bayerische Kleidung gibt - und demzufolge auch keine typisch Friesische oder typisch Württembergische Tracht.